Rechtsgebiete
Versorgungsausgleich
Lassen sich Eheleute scheiden, so muss nicht nur das Vermögen im Rahmen des Zugewinnausgleichs auf beide verteilt werden. Darüber hinaus sind noch alle Anwartschaften und Ansprüche – die sogenannten Anrechte – auf Versorgungen wie die der gesetzlichen Rentenversicherung aufzuteilen. Dies geschieht im Rahmen des Versorgungsausgleichs. (VersAusgl). Dabei wird ein Teil des Anrechts des einen Ehegatten dem anderen zugesprochen.
Der VersAusgl beschäftigt seit vielen Jahrzehnten Familiengerichte, Anwälte und spezialisierte Fachleute. Da das in der Vergangenheit geltende Recht nicht immer zu einer gerechten Teilhabe der Eheleute im Versorgungsfall führte, trat am 01.09.2009 ein neues Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) in Kraft.
Es handelt sich also um ein verhältnismäßig junges Gesetz. Daher bestehen immer noch Unsicherheiten und offene Rechtsfragen, wie Anrechte im Einzelnen zu teilen sind.
1. Allgemein ist Folgendes zu beachten:
a) Im VersAusgl sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten – die Ehezeitanteile – jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen (Halbteilungsgrundsatz). Wesentlich ist dabei die gerechte Teilhabe beider geschiedener Ehegatten an den Anrechten.
Stichtag für die Betrachtung der – sich vor allem der Höhe nach regelmäßig verändernden – Anrechte ist grundsätzlich das Ehezeitende. Das ist der letzte Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags an denjenigen, der die Scheidung nicht beantragt hat. Von diesem “Stichtagsprinzip“ gibt es jedoch eine Reihe von Ausnahmen, wenn sich nach dem Ehezeitende tatsächliche oder rechtliche Änderungen ergeben, die auf das Ehezeitende zurückwirken. So können sich bspw. bei einer Zusage auf betriebliche Altersversorgung (bAV) Änderungen wie eine Reduzierung der Zusage nach dem Ehezeitende ergeben. Diese Änderung ist dann im VersAusgl zu berücksichtigen.
b) Für den Ausgleich von Anrechten gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- im Zeitpunkt der Scheidung – eine Vereinbarung der geschiedenen Ehegatten über den VersAusgl, die interne Teilung und die externe Teilung sowie
- nach Scheidung – die schuldrechtliche Ausgleichsrente, die Abfindung und – für Hinterbliebene – die Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung.
In der Praxis werden ganz überwiegend Anrechte intern geteilt. Für den Versorgungsträger – das ist bspw. der Versicherer, bei dem ein Anrecht auf eine private Altersvorsorge besteht, oder der Arbeitgeber bei einem Anrecht auf bAV – stellt sich dabei unter anderem die Frage, ob er den Ausgleich von vorzeitigen Leistungsrisiken wie Invalidität oder Tod durch eine – aufgrund versicherungsmathematischer Grundsätze ermittelte – Erhöhung der Altersleistung verhindern möchte. Hierfür muss der Versorgungsträger eine Teilungsordnung erstellen. In einer Teilungsordnung werden die Grundsätze der Teilung für bei dem Versorgungsträger bestehende Anrechte festgelegt.
c) Die am Versorgungsausgleichsverfahren Beteiligten müssen dem Familiengericht bestimmte Auskünfte zu den bestehenden Anrechten über vorgegebene Fragebögen erteilen.
Besondere Auskunftspflichten treffen die Versorgungsträger, bei denen Anrechte bestehen – bspw. den Versicherer oder den Arbeitgeber.
Neben einem Vorschlag, wie das Anrecht konkret in Zahlen zu teilen ist, muss bei Anrechten auf Rente ein sogenannter korrespondierender Kapitalwert mitgeteilt werden. Dieser soll eine Vergleichbarkeit unterschiedlicher Renten ermöglichen.
Darüber hinaus sind weitere Angaben vom Versorgungsträger zu machen, bspw. ob intern oder extern geteilt werden soll oder ob das Anrecht auf bAV bereits unverfallbar ist. Darüber hinaus sind dem Familiengericht die rechtliche Grundlage der Versorgung – bspw. eine Gesamtzusage oder Betriebsvereinbarung – und die Teilungsordnung zu übersenden.
d) Immer noch schwierig gestaltet sich die Auslegung und Umsetzung von Beschlüssen zum VersAusgl, die von Familiengerichten gefasst werden.
Vor allem aufgrund unzureichender Kenntnisse in den einzelnen Bereichen, in denen Anrechte bestehen (bspw. im Bereich bAV), kommt es zu Beschlüssen, die nicht dem VersAusglG oder der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) entsprechen. Dies ist deswegen besonders kritisch, da rechtskräftige Beschlüsse über den VersAusgl rechtsgestaltende Wirkung haben – und folglich gelten, auch wenn sie dem Gesetz widersprechen. Bei Anrechten der privaten Altersvorsorge und der betrieblichen Altersversorgung können Beschlüsse über den VersAusgl nicht mehr angegriffen werden und sind umzusetzen.
Daher ist es bei Familiengerichten gelebte Praxis, Entwürfe von Beschlüssen vorab mit allen am Verfahren Beteiligten abzustimmen. Hier gilt es, durch eine sorgfältige Prüfung Fehlentscheidungen, die einen der Beteiligten benachteiligen, zu verhindern.
2. In der privaten Altersvorsorge werden grundsätzlich Absicherungen für die Fälle des Alters und der Invalidität – also bspw. Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit – im Rahmen des VersAusgl geteilt. Todesfallleistungen werden dagegen ausnahmsweise dann geteilt, wenn es sich um Zusatzversicherungen bspw. zu einer Altersrentenversicherung handelt; reine Risikoversicherungen, die Leistungen für den Todesfall vorsehen, unterliegen dagegen nicht dem VersAusgl.
Außerdem werden nur Anrechte geteilt, die auf eine Rente gerichtet sind.
3. In der betrieblichen Altersversorgung werden im Gegensatz zur privaten Altersvorsorge auch Kapitalleistungen im VersAusgl geteilt.
Darüber hinaus sind auch arbeitsrechtliche Grundsätze und Besonderheiten zu beachten, die in der privaten Altersvorsorge naturgemäß keine Rolle spielen. So gibt es im VersAusglG Verweisungen auf das Betriebsrentengesetz.
4. Auch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen sind im VersAusgl zu beachten.
Komplex und vielschichtig sind dabei vor allem die steuerlichen Auswirkungen bei der externen Teilung.